Nichtverlängerung des Intendantenvertrags von Daniel Ris – Zwei Sichtweisen auf einen Bruch
Am 4. August 2025 beschloss die Verbandsversammlung des Zweckverbands „Neue Bühne – Niederlausitzer Theaterstädtebund Senftenberg“, den zum 31. August 2027 auslaufenden Vertrag mit dem derzeitigen Intendanten Daniel Ris nicht zu verlängern. Die Entscheidung wurde von Landkreis und Stadt in einer ausführlichen Pressemitteilung begründet. Nach Ende der Theaterferien nimmt Daniel Ris nun öffentlich Stellung und widerspricht in zentralen Punkten der Darstellung der Träger.
Offizielle Begründung: Zweifel an Führungs- und Verwaltungskompetenz
In der gemeinsamen Pressemitteilung von Landkreis Oberspreewald-Lausitz und Stadt Senftenberg (seenluft24 hat darüber berichtet) wird dem Intendanten attestiert, den umfassenden Anforderungen seiner Doppelfunktion als künstlerischer Leiter und Verbandsvorsteher nicht gerecht geworden zu sein. Insbesondere organisatorische und administrative Kompetenzen sowie die Führung von Mitarbeitenden und der vertrauensvolle Umgang mit den Trägern werden infrage gestellt.
Man befinde sich in einer „zuvor nie dagewesenen Situation“, in der Stadt und Landkreis regelmäßig Aufgaben der Theaterverwaltung übernehmen müssten, um rechtliche und finanzielle Risiken abzuwenden. Als besonders gravierend wird ein mutmaßlicher Verstoß gegen Vergabe- und Zuwendungsrecht mit einem möglichen Schadenspotenzial von rund 250.000 Euro benannt.
Außerdem sei die Personalstruktur problematisch: gestiegene Rückstellungen für Überstunden und Urlaubstage, steigende Gehälter in der Führungsebene sowie offene Rechtsfragen. All das habe eine sorgfältige Abwägung der Entscheidung zur Nichtverlängerung erforderlich gemacht. Gleichwohl betonen die Träger, die künstlerische Leistung des Intendanten nicht infrage zu stellen.
Daniel Ris: „Kein Versuch der gemeinsamen Aufarbeitung“
In seinem persönlichen Statement reagiert Daniel Ris ausführlich – und mit spürbarem Unverständnis über die Vorgehensweise. Die Entscheidung zur Nichtverlängerung sei ihm bereits im März 2025 schriftlich mitgeteilt worden. Über die Begründung habe er aber erst fünf Monate später über die öffentliche Pressemitteilung erfahren. Seine Angebote zu Gesprächen seien unbeantwortet geblieben.
Ris hält dem Vorwurf mangelnder administrativer Kompetenz entgegen, dass in den ersten Jahren seiner Amtszeit parallel zum Spielbetrieb die enorme Herausforderung des Werkstattbaus zu bewältigen gewesen sei – und dies mit einem für diese zusätzliche Bauherrentätigkeit personell unterbesetzten Verwaltungsapparat. Mögliche Versäumnisse seien „im Sinne einer konstruktiven Fehlerkultur“ lösbar gewesen.
Konkrete Kritikpunkte entkräftet er mit detaillierten Einblicken:
- Die hohen Überstunden-Rückstellungen beträfen ausschließlich zwei besonders vom Fachkräftemangel betroffene technische Abteilungen.
- Die angesprochenen Rechtsverfahren gingen auf Entscheidungen vor seiner Amtszeit zurück und seien zudem keine gerichtlichen Verfahren.
- Die Lohnentwicklung sei tarifbedingt und durch gestiegene Einnahmen weitgehend gedeckt.
- Zur Kritik an seinen Fähigkeiten als Teamleiter verweist Ris auf einen vom Großteil der der Belegschaft unterstützen Brief in dem eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit ihm in künstlerischer, struktureller und persönlicher Hinsicht ausdrücklich gewünscht wird.
Ein Theater mit Zukunft – aber in Unsicherheit
In beiden Statements wird betont, dass der laufende Betrieb nicht gefährdet sei. Der Vertrag endet regulär, eine Neuausschreibung der Intendanz sei geplant – mit Start im Herbst 2025. Kündigungen im Ensemble seien nicht vorgesehen, betonen die Träger. Ris wiederum weist darauf hin, dass das nicht in ihrer Hand liege: Eine neue Intendanz könne laut geltendem Bühnenarbeitsrecht 34 Verträge ohne Angabe von Gründen beenden.
Mit Blick auf den angekündigten Wechsel stellt Ris eine zentrale Frage: Wie kann ein Theater unter angeblich so gravierendem Führungsversagen drei Jahre lang so erfolgreich agieren?
Fazit: Ein öffentlicher Vertrauensbruch
Der Streit um die Nichtverlängerung des Intendantenvertrags ist weit mehr als ein formaler Vorgang – es ist ein offener Bruch zwischen Theaterleitung und Trägern. Während letztere die Entscheidung mit organisatorischen Defiziten und Risiken für das Haus begründen, sieht Ris das eigentliche Problem in der fehlenden Bereitschaft zum Dialog und zur gemeinsamen Verantwortung. Der Ton ist sachlich, aber die Differenzen sind tief.
In dieser Gemengelage wird deutlich: Die Zukunft des Senftenberger Theaters hängt nicht allein an der künstlerischen Ausrichtung – sondern auch an der Frage, wie Kommunikation und Vertrauen zwischen Leitung und Trägern künftig funktionieren sollen. Gerade in einem öffentlich finanzierten Kulturbetrieb ist beides unerlässlich.
Eine durch den Träger angekündigte externe Prüfung mag Aufschluss über strukturelle Fragen geben. Offen bleibt jedoch, ob sie auch das verloren gegangene Vertrauen wiederherstellen kann.
Spielzeiteröffnung „FestSpiel AKTIVIST“:
Trotz der hitzigen Debatte um die Leitung der Neuen Bühne Senftenberg richtet sich der Blick des Ensembles nun wieder nach vorn. Am 26. September 2025 eröffnet das Haus die neue Spielzeit mit dem ambitionierten Projekt „FestSpiel AKTIVIST“ – eine Eigenproduktion, die nicht nur den Spielplan, sondern auch den Anspruch des Theaters markiert: relevant, regional verankert und zugleich überregional wirksam zu sein.
Das Stück widmet sich der Geschichte der „Aktivist“ – dem ehemaligen Kulturhaus in der Lausitz, einem bedeutenden Ort der Arbeiterkultur, der Transformation und des gesellschaftlichen Wandels. In einer Mischung aus Theater, Musik und Performance werden historische Narrative, persönliche Erinnerungen und aktuelle Fragen nach Identität, Umbruch und Zukunft auf die Bühne gebracht.
Red/PM, 02.09.25